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Damen-WM 2025: Zeitenwende, Weckrufe und alte Probleme

  • Autorenbild: Jonas Henschler
    Jonas Henschler
  • vor 51 Minuten
  • 4 Min. Lesezeit

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Das war sie also, die Damen-Weltmeisterschaft 2025. Ein Turnier, das in die Geschichtsbücher eingehen wird...


Die Endplatzierungen im Überblick

  1. Schweiz

  2. Tschechien

  3. Schweden

  4. Finnland

  5. Lettland

  6. Norwegen

  7. Slowakei

  8. Dänemark

  9. Polen

  10. Deutschland

  11. Niederlande

  12. Estland

  13. Japan

  14. Australien

  15. USA

  16. Singapur

Schon diese Tabelle zeigt: Die Weltspitze verschiebt sich, langsam, aber unübersehbar.


Halbfinale: Drama, aber nicht überall Überraschung

Finnland – Tschechien 0:1

Ein Ergebnis, das knapper klingt, als das Spiel tatsächlich war. So zumindest die schonungslose Analyse des finnischen Floorball-Magazins „Pääkallo“.

Dort wird klar festgehalten, dass Finnland mit dem 0:1 noch gut bedient war. Tschechien ließ eine Vielzahl hochkarätiger Chancen liegen, teils bei nahezu leerem Tor. Dass es am Ende nur ein Gegentor war, lag vor allem an Torhüterin Miia Maaranen, die laut Pääkallo „wahrscheinlich das beste Spiel ihrer Karriere“ zeigte. Weltklasse-Niveau, die beste Note im finnischen Team und zugleich ein Alarmsignal.

Auch Veera Kauppi blieb ohne Scorerpunkte, spielte laut Bericht aber dennoch überwiegend gut, musste jedoch defensiv zu viel Verantwortung übernehmen. Ein strukturelles Problem: Ballvortrag und Offensiventlastung funktionierten nicht. Viele Leistungen waren bestenfalls durchschnittlich, bei den meisten Spielerinnen blieb „deutlich Luft nach oben“.

Besonders hart fiel die Kritik am finnischen Trainerteam aus. Das Ballbesitzspiel war klar schwächer als das der Tschechinnen, das Forechecking „funktionierte überhaupt nicht“. Tschechien führte Finnland taktisch regelrecht vor. Die einzige Maßnahme im dritten Drittel "das Verdichten auf zwei Formationen" blieb wirkungslos.

Das Fazit von Pääkallo sitzt: Diese Halbfinalleistung gehöre, unter Einbezug von Männer- und Frauennationalteams, zu den schwächsten aller Zeiten Finnlands, trotz des knappen Resultats.

Schweden – Schweiz 3:6

Was in Finnland kritisch analysiert wurde, wurde in Schweden öffentlich zerissen.

Das schwedische Innebandy-Magazin veröffentlichte eine Kolumne von Magnus Fredriksson, Gründer des Magazins, die in Ton und Inhalt kaum schärfer hätte ausfallen können. Überschrift und Kernaussage zugleich:„Jetzt reicht es das Fiasko von Ostrava muss das Ende dieser Nationalmannschaftsorganisation sein.“

Fredriksson beschreibt ein Jahr voller Unruhe im schwedischen Floorball: interne Turbulenzen im Verband, zögernde Sponsoren, Nationalmannschaftsevents mit leeren Rängen und am Ende eine Frauen-Nationalmannschaft, die im WM-Halbfinale von der Schweiz „komplett überrollt“ wurde.

Besonders deutlich: Das Aus kam nicht überraschend. Der Kader sei bereits bei der Nominierung nicht gut genug gewesen. Mehrere Spielerinnen hätten über Monate hinweg Form, Tempo und Präsenz vermissen lassen, in der SSL wie im Nationalteam. Das Spiel gegen die Schweiz war laut Fredriksson lediglich die „brutale Quittung“.

Sein Urteil über das Spiel ist vernichtend: Schweden war harmlos. Schweden war passiv. Schweden war in allen Bereichen schlechter, Defensive, Offensive, Zweikämpfe, Tempo, Hunger. Kein Unglück. Sondern eine Mannschaft, die nicht bereit war.

Fredriksson geht weit über das Spiel hinaus. Er kritisiert offen die Nationalmannschaftsorganisation, fordert personelle Konsequenzen und nennt explizit Sofie Andersson, verantwortlich für die Nationalteams, sowie ihre Vertreterin Julia Sidklev. Nicht aus persönlichen Gründen, sondern aus organisatorischen. Beide seien in ihre Rollen gekommen, ohne dass ihr Erfahrungsprofil der Bedeutung der Aufgabe entspreche.

Auch Bundestrainerin Linn Lundström wird eingeordnet, nicht als Schuldige, sondern als Teil eines Systems. Der Fehler liege nicht bei ihr, sondern darin, wie sie diese Rolle nach nur einem Jahr als Cheftrainerin in der Herren-Allsvenskan bekommen habe.

Der größere Kontext ist noch alarmierender: Schweden sei nicht mehr das hungrigste Floorball-Land der Welt. Nicht einmal mehr die Nummer zwei. Tschechien sei am hungrigsten, reise mehr mit Jugendteams, schicke Talente ins Ausland. Finnland arbeite fokussierter und kompromissloser. Schweden dagegen stehe „mit der Mütze in der Hand“ (sagt man wahrscheinlich so in Schweden), selbstzufrieden, beschäftigt mit Selbstbeweihräucherung in sozialen Medien.

Fredriksson nennt Ostrava das zweitgrößte Fiasko der schwedischen Floorball-Geschichte, nur übertroffen von der Heim-WM 1999 in Borlänge. Es ist erst das dritte Mal, dass die schwedischen Frauen ein WM-Finale verpassen, aber ein Symbol dafür, dass Probleme tief sitzen: zu niedrige Leistungsanforderungen, fehlende klare Richtung, eine Organisation, die Kritik abwehrt statt annimmt.


Spiel um Platz 3: Schweden gegen Finnland

Wie jedes Jahr, möchte man fast sagen, nur diesmal eben „nur“ um Bronze. Allein diese Formulierung zeigt, wie sehr sich die Wahrnehmung verschoben hat. Für zwei Nationen, die über Jahrzehnte den Damen-Floorball dominierten, fühlte sich dieses Spiel eher nach Schadensbegrenzung als nach Medaillenjagd an. Und dann sogar noch mit der 2. Niederlage Schwedens aj aj aj...

Mit einem 6:4 sichert sich Finnland den Bronze und Schweden geht leer aus.


Das Finale: Schweiz gegen Tschechien

Zwei physisch extrem starke Teams, zwei Programme im Aufwind. Und am Ende: Die Schweiz ist Weltmeisterin. Ein einfaches 0:2 reicht aus und die Schweiz darf feiern.

Historisch gleich mehrfach:

  1. Die Schweiz besiegt Schweden bei einer WM, das erste Team seit 18 Jahren, dem das gelingt.

  2. Die Schweiz steht erstmals seit 2019 wieder in einem WM-Finale.

  3. Und gewinnt es.


    Den Spielbericht seht ihr hier.


Und Deutschland?

Platz 10, mehr gibt die nackte Zahl nicht her, aber sie erzählt trotzdem eine Geschichte.

Ja, das Spiel gegen Lettland war knapp. Aber der Sieg der Lettinnen war auch nicht unverdient .

Der aktuelle Stand des deutschen Damen-Floorballs reicht schlicht noch nicht aus, um der Weltspitze konstant Paroli zu bieten. Da wartet sehr viel Arbeit, sportlich, strukturell, strategisch.

Zur Öffentlichkeitswahrnehmung wurde bereits im letzten Wide-and-Deep-Beitrag alles gesagt: Sie ist eine Katastrophe. Und daran hat diese WM wenig geändert.

Vielleicht und das ist das kleine bisschen Hoffnung, wirkt der Absturz der einstigen Topnationen Schweden und Finnland als Weckruf. Als Beweis, dass Dominanz kein Naturgesetz ist und dass sich mit guter, langfristiger Arbeit historische Muster durchbrechen lassen.

Aber: Das ist kein Projekt für einen verein. Kein Projekt für einen Verband allein. Das ist ein Projekt für komplett Floorball Deutschland.


Jetzt aber erst einmal zurück in den Alltag: Die Bundesliga ruft, bevor alle in die wohlverdiente Weihnachtspause gehen 🙂 Foto: iff

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